Die Welt ist eine andere geworden, seit dem März 2020. Corona/Covid-19 hat vieles verändert, auch unser geliebtes Weinuniversum. Wenn Wein einen Körper besitzen würde, wo wäre dann sein Herz, wo könnten wir am besten seinen Puls messen? In Bordeaux, sicherlich nach wie vor nicht nur die renommierteste Weinbaugegend dieses Planetens, sondern auch einer der größten Börsen- und Umschlagplätze des Weinhandels überhaupt.
Wir haben aus diesem Grunde einen Mitarbeiter in die Region geschickt, um Ihnen, liebe Blogleserinnen und Lesern, einen Eindruck über den Zustand des „Patienten“ zu geben. Hat dieser die Infektion bislang gut überstanden?
Wir kommen an in Margaux, der berühmten Appellation im Médoc, am linken Ufer der Gironde. Es ist heiß, sehr heiß. Die Canicule – die Hundshitze, wie die Franzosen sagen – hat das kleine Dörfchen fest im Griff. Und dennoch herrscht hier ein ausgesprochen reges Treiben. Wer erwartet hätte, dass hier Totentanz herrscht, sieht sich getäuscht. Ein munteres Stelldichein von französischen, englischsprachigen und asiatischen Touristen, die sich alle nicht immer wirklich an die so dringend erforderlichen Regeln halten. Die Hoteliers und Gastronomen bestätigen uns, dass eine sagenhafte Zahl von Urlaubern, auch aus dem Inland, noch in letzter Minute gebucht hat, um dem (Virus-) Streß und Alltag zu Hause zu entfliehen. Zum Teil ist man voll ausgelastet.
Doch was ist mit dem Wein?
Bordeaux-Primeurs-Proben gab es nicht. Ausgefallen, einfach so. Das Spektakel wurde gecancelt, genau wie alle anderen Messen auch. Man behalf sich, indem man Fassproben durch die Welt schickte, oder später kleine Verkostungen in den Ländern der potentiellen Käufer veranstaltete. Ob dieses einen repräsentativen Überblick und Vergleich der Weine untereinander ermöglichte, kann bezweifelt werden. Man gab sich Mühe, keine Frage, den Schaden zu begrenzen.
Ob es tatsächlich einen „Schaden“ gab, ist eine Frage der Perspektive. Aus Sicht der Châteaux ist das sicherlich so. Aus Sicht der Verbraucher nicht. Da kein richtiger Markt für die 2019er Weine vorhanden war mangels Verkostungen, und Anfragen daher aus China z.B. Mangelware waren, konzentrierte man sich auf die klassischen Märkte, wie u.a. auch Deutschland, um dort Interesse zu generieren. Die Preise wurden sehr vorsichtig kalkuliert, um damit nicht noch die letzten Liebhaber zu verschrecken. Château Pontet-Canet legte vor mit 30% niedrigerem Preis als im Vorjahr, und alle anderen folgten mehr oder minder bereitwillig.
Die Qualität
Dabei ist der Jahrgang 2019 als außerordentlich gelungen anzusehen. Ja, wir wissen es: Der aktuelle Jahrgang ist immer der beste, zumindest, wenn ich den Winzer frage. Doch vorliegend ist die Phrase nicht falsch, da die Wetterverhältnisse im Jahre 2019 als gut und stabil zu bezeichnen sind. Wie in letzter Zeit immer häufiger, sind die Sommer trockener und heißer als früher, Regen rettete jedoch die Reben jeweils rechtzeitig vor zu viel Hydrationsstreß und auch die gegenbalancierenden, kühlen Nächte.
Der 2019 dürfte daher, wenn man dies so verallgemeinern möchte, ein klassischer Jahrgang des rive droit werden, irgendwo einzuordnen zwischen der Frucht des 2016er, der Tradition des 2015er und dem Rückgrat der 2014er. Fragt man die Negociants vor Ort, wie sie mit dem Absatz ihrer Produkte zufrieden sind, so bestätigen diese, dass im Rahmen des Möglichen der Verkauf en Primeur zumindest noch befriedigend verlief. Was im Umkehrschluß heißt, dass die Preise auch in Zukunft nicht so stark steigen dürften und der 2019er ein toller Jahrgang zu zivilen Preisen bleiben dürfte.
Das sind doch wenigstens noch einigermaßen gute Nachrichten aus einer zur Zeit besorgniserregenden Welt.
P.S.: Auch der Sommer 2020 war bislang vielversprechend. Am 12. und 13. August gab es starken Regen; doch der war durchaus willkommen, waren die Tage zuvor doch überdurchschnittlich heiß und sehr trocken.
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