M wie Mittelrhein

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Deutschland ist ein Weinland! In dieser Serie stellen wir die dreizehn deutschen Weinbaugebiete für Qualitäts- und Prädikatswein vor. Thema dieses Beitrags ist das Gebiet Mittelrhein – es kann sich rühmen, in der UNESCO Welterbeliste vertreten zu sein.

UNESCO Welterbe in atemberaubender Weinlandschaft

Im Jahr 2002 schaffte es das obere Mittelrheintal mit dem Bereich zwischen Bingen und Koblenz auf die renommierte Ansammlung einzigartiger Orte der Welt und in der Tat – die Gegend ist einmalig schön. In keinem Abschnitt hat sich der Rhein so steil und malerisch in den Stein gefräst, nirgends am Strom gibt es so viele mächtige Burgen und Schlösser und Ruinen, die von einstiger Größe der Gegend zeugen, und wohl nirgendwo ist der Weinanbau in Deutschland auf jeder Fläche so eine halsbrecherische Angelegenheit, wie am Mittelrhein. Die Steillagen-Winzer am Mittelrhein sind Artisten! Sie schaffen Weinbau an der Grenze des Machbaren und kreieren trotz allen Widrigkeiten Weine auf allerhöchstem Niveau.

Vielleicht liegt es an den schwierigen Umständen, vielleicht an den einfacheren Möglichkeiten in angrenzen Weingebieten, vielleicht ist es auch purer Zufall, dass die Rebflächen am Mittelrhein in den letzten Jahren wie die Anzahl der Winzer zurückgegangen sind. Viele Flächen, die im Nebenerwerb bewirtschaftet wurden, sind aufgegeben worden. So konnten aber die Betriebe sich vergrößern, die Wein als Grunderwerb herstellen und einige einzigartige Steillagen dazugewinnen.

Riesling über alles?

165 Weinbaubetriebe, davon ca. 50 mit angeschlossener Weingastronomie zählte man 2016 am Mittelrhein. Der aktive Urlauber schätzt gerade diese Gutsschänken und Straußwirtschaften als Wanderer, die er auch mit dem Fahrrad oder per Schiff auf dem Rhein besuchen kann. Und immer werden dem Gast die fantastischen Rieslinge, Spätburgunder oder Müller-Thurgau des Mittelrheins kredenzt. Herrlich, so lässt es sich leben!

Neben den genannten Sorten, bei denen der Riesling mit fast 70 Prozent Anbaufläche die absolute Spitzenposition einnimmt, sind auch Dornfelder, Grauer und weißer Burgunder oder auch mal ein Regent-Wein die Köstlichkeiten des mittelrheinischen Weinbaus.

Das Gebiet ist in zwei Bereiche – die Loreley und das Siebengebirge – und in elf Großlagen und 111 Einzellagen unterteilt. Bekannt sind vielleicht die Einzellagen Bacharacher Hahn und Bacharacher Posten oder auch der Bopparder Hamm.

Die Römer sind „schuld“

Wie in vielen deutschen Weinbaugebieten waren die Römer „schuld“ am Einzug des Weinbaus. Der Weinbau schwappte damals von den Besiedlungen an der Mosel in die Beckenlandschaft zwischen Koblenz und Neuwied. Pflegte man zuerst ebene Weingärten, so folgte um das 4. Jahrhundert mit dem Bau des römischen Kastells Baudobriga an der römischen Rheintalstraße der Weinbau an den Hängen. Der Miesenheimer Weinberg gilt als das älteste Zeugnis von Weinbau am Mittelrhein.

In keinem ausführlichen Bericht vom Weinbau am Mittelrhein darf das Zitat von Venantius Honorius Clementianus Fortunatus, ein in Metz am Hofe von König Sigibert I. lebender Dichter, aus in seinem Gedicht De navigio suo („Über seine Schiffsreise“) aus dem Jahre 588 fehlen. Seinerzeit berichtete er in Versen von einer Fahrt die Mosel hinab nach Andernach und Leutesdorf mit dem jungen Merowingerkönig Childebert II. in begeisternden Worten: „Rasch zu den Mauern hinan an Andernachs Festung Fahr ich dann nahe hinan, weiter getragen vom Boot. Stehn auf den Hügeln dahier in geräumigen Reihen die Reben, Dehnt Acker sich fruchtbar ans andere Gestad.“

Das zweitkleinste Anbaugebiet Deutschlands

Nachdem die Römer sich aus germanischen Landen zurückzogen und die Stadt Boppard im frühen Mittelalter fränkischer Königshof und Verwaltungszentrum war, entwickelte sich der Weinbau im 11. bis Ende des 14. Jahrhunderts von der Mosel aus nach Süden. Als sich später um 1815 der linksrheinische Mittelrhein-Weinbau gerade von den vernichtenden Wintern der vergangenen Jahrzehnte erholt hatte, brachten die darauffolgenden Dekaden nicht gerade Kontinuität. Missernten, die zunehmende Konkurrenz aus anderen Weinbaugebieten und der Bösewicht Reblaus schließlich dezimierten auch die Rebberge am Mittelrhein. Nach dem Vorbild des Ahrtals gründete man hier auch Winzergenossenschaften, um im Weinanbau-Geschäft künftig besser bestehen zu können. Zählte man zeitweise 27 solcher Genossenschaften, so gibt es am Mittelrhein heute noch lediglich fünf davon, und zwar in Bornich, Oberdiebach, Dellhofen, Perscheid und Urbar. Heute ist das Weinbaugebiet Mittelrhein mit aktuell 467 Hektar Anbaufläche das zweitkleinste unter den 13 bestimmten Weinbaugebieten in Deutschland.

Das Gebiet Mittelrhein erstreckt sich über 110 km von der Nahe bei Bingen bis zum Siebengebirge bei Bonn. Von Bingen bis Koblenz kann man bei einer Schiffsfahrt hauptsächlich die linke Hangseite entlang des Rheins mit Rebstöcken bewundern. Am unteren Mittelrhein von Koblenz bis zum Siebengebirge ist es gerade umgekehrt, da ist vor allem die rechte Uferseite bestockt.

Ein Klima wie in Burgund

Besonders der Riesling liebt es, dass das Frühjahr am Mittelrhein in der Regel früh einsetzt. Die Vegetation währt lange bis zum Spätherbst und so richtig kalt wird es im Winter hier nicht. Das liegt zum einen an der geschützten Lage im Rheintal und an den südwestlichen Anströmungen, zum anderen werden unsere Winter ja sowieso nicht mehr so richtig knackig. Wetterexperten reden oft vom burgundischen Klima am Mittelrhein. Das Wetter hier ist vergleichbar mit der Gegend im Burgund, die allerdings geografisch viel südlicher liegt, fast 350 Kilometer.

Das ausgesprochen angenehme Klima am Mittelrhein begünstigt mit den hier vorhandenen Schiefer- und Grauwackeverwitterungsböden den Weinbau und lässt so besonders aromatische Weine entstehen. So ist auch nicht verwunderlich, dass man auch die extremsten Steillagen bewirtschaften will.
Wunderschöne Wandertouren durchziehen das Gebiet Mittelrhein. Der Rheinsteig zwischen Bonn, Koblenz und Wiesbaden oder der RheinBurgenWeg, linksrheinisch immer dicht an der Bergkante entlang, sind nur zwei bekannte Beispiele. Und dann gibt es das organisierte Weinwandern mit dem Winzer oder das sogenannte Schlemmen in den Weinbergen. Bei letzterem schlagen Winzer und Gastwirte ihre Zelte in den Weinbergen auf und verwöhnen die Wanderer mit den besten Spezialitäten aus Küche und Weinkeller, unglaublich lecker. Der Gast spaziert durch die Weinbergslagen, probiert an jedem Stand selbst gemachte Leckerbissen und die besten Weine der Region. So kann man wandern!

Und übrigens – der Reblauswandertag in Oberheimbach, jährlich am 2. Sonntag im Juni, lohnt sich wegen der wunderbaren Einkehrmöglichkeiten bei den Winzer-Gastwirtschaften vor Ort. Die Reblaus, dieser fiese Geselle aus dunklen Tagen, kommt da nicht vor. Zum Glück.

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