In der Appellation Castillon Côtes de Bordeaux, auf dem Kalkstein und Ton-Plateau Gardegan, liegt das Château de Pitray. Es sind nur 8 Kilometer Luftlinie zum quirligen Saint-Émilion, doch das Leben auf dem Château ist ein anderes.
Ein riesiger Hase kommt uns in der Einfahrt des 100 ha großen Anwesens entgegen, bleibt stehen und beäugt uns neugierig. „Der gehört zu unserem Wald. Wer ihn schießt, wird selbst erschossen“ begrüßt uns Jean de Boigne, der Eigentümer des Châteaus. Er verkörpert die 26.Generation der Pitrays, die seit 600 Jahren das Château führen. Seine Mutter ist eine Pitray und mit Augenzwinkern erzählt er uns die Geschichte seiner Familie, einem alten Adelsgeschlecht mit viel Historie beim Militär.
Oh, Monsieur Pitray macht jetzt Milch und keinen Wein mehr!
Dass dieses nicht immer nur Vorteile mit sich führt, wird deutlich, wenn man sich das riesige Schloss ansieht. Auch die Nachbarn waren seinen Vorfahren nicht immer nur wohlgesonnen. Als z.B. 1972 die Stahltanks im Chai installiert wurden und hierzu das Dach abgenommen werden musste, lästerten die Nachbarn: „Oh, Monsieur Pitray macht jetzt Milch und keinen Wein mehr!“. 36 ha Fläche stehen unter Rebbepflanzung, davon hauptsächlich Merlot mit 73%, Cabernet Franc mit 23% und etwa 4% Malbec. Die Reben sind im Schnitt 30 Jahre alt.
Wein ist Arbeit
Die Weinberge kann man vom Château aus nicht sehen. „Wein ist Arbeit“, und eine Aristokratenfamilie wollte die Arbeit nicht immer vor Augen haben, so informiert uns de Boigne lachend. Er verwende nur französische Eiche zur Nachreifung. Amerikanische Eiche sei ihm „zu Trump“ und es fehle ihr an Finesse. Man merkt ihm gleichermaßen den Spaß am Weinmachen, aber auch seine Ambitionen an. Nur der Merlot reift im Holzfass nach, nicht aber der Cabernet Franc. Um dessen Charakter so rein und pur zu belassen, kommt dieser nicht mit Barriques in Berührung, sondern reift alleine im Tank.
Jean de Boigne muss sich nicht verstecken
Die anschließende Probe bestätigt dieses. Von den vier auf dem Château produzierten Weinen ist einer ein sortenreiner Cabernet Franc. Bereits die Farbe ist so klar und leuchtend, wie selten bei einem solchen Wein. Neben dem Hauptwein gibt es noch ein Top Cuvée, genannt „Madame“ und manchmal etwas Rosé, wenn die Ernte es zulässt. Alle Weine sind hervorragend vinifiziert und überzeugen durch eine Tiefe und Balance, die mehr als deutlich über dem Schnitt dieser Appellation steht, vor allem, wenn man dann noch den Preis dieses Weines in Betracht zieht.
Wir kennen zwar die Vorfahren von Monsieur Jean de Boigne und deren Rebsäfte nicht, erlauben uns aber bei allem Respekt ihm attestieren zu können, dass er sich hinter ihnen nicht zu verstecken braucht!