Weinkritiker – Eine Welt der Punkte und Sterne Teil I

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Weinkritiker

Haben Sie auch schon mal nach Empfehlungen durch Punkte oder Sterne gekauft? Ein Wein mit 92 Parker-Punkten. 94 Punkte gar beim Gault & Millau Wein Guide. Und ach, wenn der Wein aus Südafrika stammt, gibt’s vielleicht bei John Platter fünf Sterne. Wenn ein Robert Parker 92 Punkte vergibt, kann man ja nichts falsch machen. Wer sind diese „Weingötter“, „Gurus“ und „Kritikerpäpste“, die diese manchmal unverständlichen, vielfach blumigen Bewertungen verfassen? Wem vertrauen wir da eigentlich blind bei teuren Weinkäufen, wenn wir das Produkt noch nie probiert haben? Teil 1 unser Serie über die Weinkritiker dieser Welt.

Weinkritiker = Weingötter?

Um das vorwegzunehmen: Weingott gibt es nur einen. Dieser heißt Bacchus, entstammt der griechischen Mythologie und fand als Gott des Weines und des Rausches Einlass in die Welt der Götter. Auch der Begriff „Weinpapst“ ist an dieser Stelle problematisch. Stellen Sie sich mal Robert Parker ganz in Weiß im Papamobil vor. Er würde milde abwinken. Nennen wir sie also schlicht und einfach Weinkritiker, die Damen und Herren, welche uns erklären wollen, welcher Wein uns munden wird und auch warum.

Parker über allen

Der bekannteste Weinkritiker weltweit ist Robert M. Parker. Und kaum ein Weinkritiker ist in den letzten 20 Jahren international so diskutiert worden wie – Robert  Parker. Sein Einfluss auf die Weinwirtschaft ist enorm. Parker-Bewertungen können aus Weinen wahre Geldanlagen machen oder auch den wirtschaftlichen Ruin bedeuten. Robert Parker, Absolvent der University of Maryland mit dem Hauptfach Geschichte und Kunstgeschichte als Nebenfach sowie in einem zweiten Studium Jura mit dem akademischen Grad eines Juris Doctor versehen, begann 1975 sich intensiver mit Wein zu beschäftigen. Sein seinerzeit gegründeter Newsletter „The Wine Advocate“ ist noch heute mit Zehntausenden Abonnenten die führende Publikation der Weinkritik. Über all die Jahre erschien der Newsletter ohne Werbung – ein Novum in der kommerzialisierten Welt.

Das Punktesystem

Der Einfluss von Parkers Punktesystem mit der Höchstnote 100 für herausragend gute Weine wurde 1982 sichtbar, als er entgegen der Meinung aller Konkurrenten den seinerzeitigen Bordeaux-Jahrgang als außergewöhnlich bewertete und den Weinen eine hohe Altersbeständigkeit attestierte. Ob er Recht hat, wird noch heute diskutiert. Fakt ist, dass damals die Preise für Bordeaux-Weine des Jahrgangs 1982 geradezu in himmlische Höhen stiegen. Die Premiers Grands Crus des Jahrgangs hatten innerhalb der ersten zehn Verkaufsjahre ihre Preise verzehnfacht.

Seinem mittlerweile vielköpfigen Verkoster-Team wird nachgesagt, eine Vorliebe für kräftige Rotweine für den „amerikanischen Geschmack“ zu haben, bei dem beispielsweise Weine aus autochthonen Rebsorten keine Chance haben. Diese Weine sind eckig und eigen und mit Sicherheit keine Mainstream-Weine. Sie beleben aber die Vielfalt der Weinkultur gerade in den alten Weinregionen Europas.

Kontrovers diskutiert

In den letzten zehn Jahren war Robert Parker öfter in den Schlagzeilen. In einem Beitrag im Magazin „Stern“ im Jahr 2007 zitierten die Autoren Parkers langjährige Mitarbeiterin Hanna Agostini, die ihrem Ex-Chef vorwarf, befreundete Großhändler besonders freundlich zu bewerten. In ihrem Buch „Robert Parker – Anatomie eines Mythos“ setzte sich Agostini äußerst kritisch mit Parkers System auseinander.

Auch 2011 wurde über Parker und sein Team kontrovers diskutiert. Damals wunderten sich Fachleute lange Zeit über die hohen Benotungen, die mittelmäßige spanische Weine bei Robert Parker erhielten. Das Ganze löste Ermittlungen aus, schließlich wurden seinerzeit bei mehreren deutschen Discountern spanische 91 Punkte-Weine für sagenhafte 6,99 Euro angeboten. Nach Recherchen der Fachzeitschrift „Weinwirtschaft“ war im Dezember 2011 bei Aldi-Süd der 2010er Azumbre Verdejo, ein Weißwein aus der spanischen DO Rueda für 4,99 Euro, schon nach wenigen Tagen in den meisten Filialen ausverkauft.  Er hatte 90 Punkte in Parkers „Wine Advocate“ erhalten.

Robert M. Parker, Jahrgang 1947, will künftig kürzertreten und kündigte bereits 2012 an, sich aus der Chefredaktion seines zweimonatlich erscheinenden „The Wine Advocate“ zurückzuziehen. Neue Partner seines Unternehmens werden in Zukunft Hedgefondsmanager aus Singapur sein für kolportierte 15 Millionen US-Dollar. Als Ende April 2016 nicht Parker selbst die sogenannten „en primeur-Verkostungen“ für die Bordeaux-Weine des Jahrgangs 2015 vornahm, sondern sein langjähriger Mitarbeiter Neal Martin, wurde das in der Szene sehr aufmerksam registriert.

Eine Frau in der Männerwelt

Als einzige Frau am Kritiker-Himmel strahlt seit Jahrzehnten die Britin Jancis Robinson. Sie ist die Kennerin der Rebsorten und hat in ihrem außergewöhnlichen Buch „Rebsorten und ihre Weine“ sagenhafte 800 derer beschrieben. Robinson, seit 1984 Trägerin des renommierten Titels „Master of Wine“ und drei Jahre jünger als Robert Parker, geriet nur einmal in die Schlagzeilen, als sie sich mit eben Parker öffentlichkeitswirksam stritt – über die Qualität des Château Pavie des Jahrgangs 2003. Angeblich sind die beiden heute wieder gute Freunde – business as usual. Nichtsdestotrotz genießt Jancis Robinson einen tadellosen Ruf in der Branche. Ihr Punktesystem geht bis 20, sie ist Herausgeberin des unübertroffenen Weinlexikons „The Oxford Companion to Wine“ und hat die bestgepflegte Website der Weinkritik.

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