Es ist Ende Mai, der Winter kehrt allmählich in Südafrika ein. Auf dem Weingut Noble Hill in der Simonsberg-Paarl-Appellation, etwa 50 Kilometer von Kapstadt und 20 Kilometer von Stellenbosch entfernt, knistert ein Feuer im Kamin des eleganten Gastraums. Hier nehmen sich Kristopher Tillery (30), Harvard-Absolvent und Direktor von Noble Hill, und Bernard le Roux (35), der Winemaker auf dem Gut mit seinen 30 Hektar Anbaufläche, viel Zeit für ein Interview mit Vineshop24.de. Am langen Eichentisch sitzend reden beide entwaffnend ehrlich über ihr junges Weingut, das so viel Potential birgt.
Herr Tillery, seit wann arbeiten Sie daran, Noble Hill zu einer echten Marke in Südafrikas Weinwelt, aber auch darüber hinaus zu machen?
Meine Eltern haben dieses Gut erworben und mich um Hilfe gebeten, das Weingut zum Blühen zu bringen. 2008 habe ich meine Koffer gepackt, verließ die USA – nach meinem Studium in Harvard und einer mehrjährigen Tätigkeit als Unternehmensberater – und zog nach Südafrika. Mein Ziel ist klar: Ich möchte die Marke Noble Hill bekanntmachen – und wir sind hier ja noch in den Anfängen. Wir haben erst vor wenigen Jahren völlig neu begonnen. Jetzt wollen wir Noble Hill als ein Weingut etablieren, das für hohe Qualität steht. Dafür arbeiten wir Tag für Tag – und führen natürlich auch gern Interviews.
Herr le Roux, mit 35 Jahren sind Sie sicher ein eher junger Winemaker. Wie sieht Ihr bisheriger Werdegang aus?
Aufgewachsen bin ich in Kapstadt. An der Stellenbosch Universität habe ich das Studium abgeschlossen. Meine Ausbildung absolvierte ich bei der Flagstone Winery in Somerset West. In dieser Zeit hatte ich auch die Gelegenheit, zwei Ernten in den USA mitzuerleben, im Napa Valley und im Sonoma Valley. 2003 führte mich mein Weg dann als „assistant-winemaker“ zu Hamilton Russell in Hermanus. Das war ein enormer Kultur-Wandel, der mich tief beeindruckt hat. Flagstone war sehr auf die Etablierung der Marke konzentriert. In Fragen des Marketings ist dieses Weingut wirklich meisterhaft. Für die Weine wurden Reben aus dem ganzen Land gekauft. Hamilton Russell hingegen ist sehr zurückhaltend, sehr traditionell und klassisch aufgestellt. Dieses Weingut ist sehr fokussiert auf sein Terroir. Die Herkunft des Weines, die Böden – das sind die grundlegenden Werte, die hier an erster Stelle stehen. Später konnte ich mich als Winemaker bei Vilafonte Vineyards beweisen, einem amerikanisch/südafrikanischen Joint Venture, das auf Bordeaux-Blends setzt. Fünf Jahre war ich dort tätig.
Und dann kam Noble Hill …
Richtig. Kristopher habe ich zum ersten Mal getroffen, als er Vilafonte besuchte. Seit 2010 bin ich nun der Winemaker von Noble Hill. Für mich ist das großartig: Dieses Weingut vereint eine Menge von dem, was ich an all den Orten, an denen ich bislang gearbeitet habe, erfahren habe. Die Wertschätzung des Terroirs ist enorm, der Ursprung unserer Weine ist für uns von großer Bedeutung. Der Großteil unserer Weine stammt auch von unseren Böden. Für mich ist das die ultimative Herausforderung, wie für jeden Winemaker: es zu schaffen, dass sich die Charakteristiken dieses Ortes im Noble Hill-Wein widerspiegeln. Und es ist natürlich wunderbar, sich nicht in vorgefertigte Strukturen einfügen zu müssen, sondern den Noble Hill-Stil selbst kreieren zu können. Das Ganze hier ist – wenn Sie so wollen – immer noch ein Start-up-business. Wir haben sicher nicht alle Antworten, aber wir sind willens, viel zu probieren.
Kristopher stupst Bernard in die Seite, flüstert: „Du musst von deinem Sohn erzählen …
Bernard le Roux: Oh ja, das Wichtigste. Ich bin vor sieben Wochen Vater geworden. Wollen wir hoffen, dass das auch einen noch besseren Winemaker aus mir macht …
Herr Tillery, auch wenn es sich um ein Start-up-Weingut handelt: Dieser Ort wird eine längere Geschichte haben …
Allerdings. Dieses Areal zählte im späten 17. Jahrhundert einst zum Besitz von Simon van der Stel, dem ersten Gouverneur der Kap-Kolonie. Das Gebiet von Noble Hill war nur ein kleiner Teil des gesamten Besitzes. Speziell diese Farm hat seit dieser Zeit eine wechselvolle Geschichte hinter sich. Zitrusfrüchte wurden hier angebaut, Viehwirtschaft wurde betrieben und, und, und. Wenn wir speziell auf Noble Hill zu sprechen kommen: Die ältesten Rebstöcke wurden hier 1988 angepflanzt, die jüngsten Anpflanzungen stammen von 2009. Und wir sind auch noch im Begriff, einige neue Anbauflächen zu bepflanzen. Unser Weinkeller wurde 2001 gebaut. Das heißt: Wir sind natürlich ein sehr junges Weingut. Wir haben keine Generationen oder Jahrhunderte, die hinter unserer Marke stehen. Wir sehen das aber eher als Vorteil. Es gibt uns einen Motivationsschub, hier etwas zu erschaffen. Auf unseren Lorbeeren können wir uns nicht ausruhen – wir hatten ja noch gar keine echte Gelegenheit, uns welche zu verdienen. Wir müssen einfach mit unserer Qualität überzeugen.
Überzeugen müssen Sie auch mit dem Erscheinungsbild der Marke Noble Hill. Herr Tillery, auf sämtlichen Etiketten sind alte Schlüssel zu sehen, ein Motiv, das auch auf den Weinfässern und an den Fenstern des eleganten Restaurants hier auf dem Anwesen auftaucht …
Die Geschichte dazu ist tatsächlich bemerkenswert. Als wir diese Farm gekauft haben, haben wir vom Vorbesitzer einen Karton voller Schlüssel erhalten. Frei nach dem Motto: Bitteschön, das ist jetzt Ihr Problem. Einige dieser Schlüssel waren tatsächlich wunderbar anzuschauende alte Exemplare. Und wir dachten: Gut so, da machen wir etwas draus. Die Schlüssel stehen nun für einzelne Rebsorten. Ein Blend aus drei verschiedenen Rebsorten hat also drei Schlüssel auf dem Label. Und wir hoffen natürlich, die Schlüssel zum guten Geschmack gefunden zu haben.
Guter Geschmack ist vor allem eine Frage des Terroirs. Herr le Roux, was zeichnet Noble Hill hier aus?
Unsere Lagen sind vornehmlich nach Norden und Nordwesten ausgerichtet, was auch höhere Temperaturen bedeutet als in anderen Lagen. Unsere Weine besitzen vor diesem Hintergrund einen sehr vollen Körper. All unsere Rebsorten reifen vergleichsweise früh. Wenn ich den Boden in den Blick nehme, dann haben wir eher lehmige Böden. Gerade unser Merlot gedeiht wunderbar auf diesen flachgründigen Lehmböden. Der Untergrund gibt dem Wein eine wunderbare Struktur. Wir haben aber auch einige sandigere Flächen, tiefere und fruchtbarere Böden. Diese Flächen behalten wir eher unseren weißen Rebsorten vor, weil sie leichtere, fruchtigere Weine hervorbringen. Generell gilt, dass unser Terroir eine ideale Grundlage für sehr gehaltvolle, tanninreiche Weine darstellt. Wir setzen vor diesem Hintergrund auch auf im Holz ausgebaute Weine, die über die Jahre reifen und so an Komplexität gewinnen.
Was uns noch wichtig ist: Unsere Lagen – hier in Simonsberg-Paarl – sind aufgrund der Höhe im Schnitt zwei Grad kühler als in den meisten Anbaugebieten in der Großregion Paarl. Das hört sich zunächst gar nicht nach viel an, bedeutet aber eine Menge. Wir reden da schon von unterschiedlichen Erntezeiten, die drei Wochen auseinanderliegen.
Und Ihre Philosophie des Weinmachens?
Naja, das Terroir diktiert natürlich eine Menge. Und unsere Weine sollen das Terroir widerspiegeln. Wissen Sie, Sie müssen auch immer bedenken, dass wir ein sehr junges Team sind und durchaus noch – und das ist positiv gemeint – beeinflussbar. Für mich steht fest: Jetzt schon zu sagen, dafür steht Noble Hill, ist im Grunde schwer in Worte zu fassen. Soviel kann ich aber sagen: Künftig möchte ich Weine präsentieren, die sehr körperreich und üppig sind und das Potential haben, über die Jahre zu gewinnen. Aber sie sollen gleichzeitig auch schon etwas früher zugänglich sein, als das vielleicht derzeit der Fall ist.
Kristopher Tillery: Ich denke, wir suchen den Schlüssel für Frische und Eleganz. Für uns ist es eher einfach, intensive, strukturierte, tanninreiche Weine mit einer besonderen Farbtiefe zu kreieren. Diese Charakteristiken bringen unsere Lagen sozusagen mit sich. Die Herausforderung für uns ist es, sich nicht damit zufriedenzugeben, sondern mehr zu wollen und unser Potential voll auszuschöpfen. Wir wollen einen Weg finden, weiterhin diese gehaltvollen Weine zu bieten, ihnen aber auch mehr Eleganz, Frische und Fruchtigkeit verleihen. Jemand, der in eher kühleren Lagen anbaut, wird genau die umgekehrte Herausforderung haben.
Bernard le Roux: Ich weiß nicht, wie der Geschmack in Deutschland ist, aber in Südafrika und den USA ist die Kritik an Weinen, die zu würzig sind, sozusagen zu grün schmecken, groß. Wir müssen es schaffen, sanfte und reife Tannine zu gewinnen, ohne dass die Weine an fruchtiger Frische einbüßen. Wir wollen und werden das mit der Zeit immer besser lernen: Wann ist der beste Zeitpunkt für die Lese, und wie genau müssen wir mit den Reben umgehen.
Offensichtlich haben Sie ja schon viel gelernt, Ihre Weine haben durchaus schon einige Auszeichnungen erhalten. Was sind denn die Flaggschiffweine?
Kristopher Tillery (lächelt, und lässt sich Zeit mit der Antwort): Es ist schwer für mich zu sagen, welcher Wein unser Flaggschiff ist. Viele finden das sehr enttäuschend, wenn ich sage, ein echtes Flaggschiff haben wir gar nicht. Aber es ist doch logisch: Wir sind ein kleines Weingut. Viele Weingüter Südafrikas sind fünfmal, vielleicht sogar zehnmal oder zwanzigmal so groß wie wir. Wir verarbeiten in unserem Keller in einem Jahr 130 bis 160 Tonnen an gelesenen Reben. Es ist mein fester Glaube und auch meine Erwartungshaltung, dass jede Noble-Hill-Flasche den besten Wein enthalten sollte, den wir bieten können. Wenn Sie mich aber zwingen, etwas zu benennen: Ich liebe unseren Estate Blend, weil er wunderbar zeigt, was wir hier erreichen können. Und die Tatsache, dass es ein Blend ist, bedeutet ja automatisch, dass dieser Wein auch geprägt ist von unseren Entscheidungen und so eher unsere Handschrift trägt als andere Weine. Andererseits: Ist er besser als unser Merlot? Die Frage möchte ich gar nicht beantworten. Wir machen einfach den besten Merlot, den wir können. Und wir machen den besten Blend, den wir können. Ein Verbraucher, der einen Noble Hill-Wein kauft, soll einfach auf die Qualität vertrauen können. So einfach ist das.
Okay, abgemacht, Qualitätsversprechen hören wir gern. Was dürfen wir vom Jahrgang 2013 erwarten?
Bernard le Roux: Ich würde sagen, Qualität und Quantität waren gut! Wir hatten einen großartigen Frühling in Südafrika. Bei der Lese konnten wir viele kleine, sehr konzentrierte Trauben ernten. Das wird man sicherlich schmecken können. Dass dieser Jahrgang auch so eine Quantität mit sich bringt, hat mich geradezu überrascht. Ich denke, für Noble Hill könnte ein Jahrgang herauskommen, der die bislang größte Balance zwischen konzentrierten Tanninen und einer konzentrierten Fruchtigkeit hervorbringt. Freuen Sie sich drauf!
Herr Tillery, Herr Le Roux, ich danke Ihnen für das Gespräch.
Kristopher Tillery: Gern geschehen. Wir reden ja gern über Noble Hill. Und wer sich sein eigenes Bild machen will: www.noblehill.com ist sicher ein guter Anfang.