Es gibt Weinkenner – oftmals von selbsternannten Gnaden – die können auf ganz schön schlau tun. Mit gönnerhaftem Blick über den Brillenrand wird dann der Hinweis erteilt, dass der Bordeaux, den man soeben stolz erworben hat, ja nichts taugen kann, weil er bekanntermaßen schließlich aus einem „schlechten Jahrgang“ stammt. Und man selbst kommt sich ziemlich naiv vor, weil man das offenbar nicht wusste. Ist denn Wein so eine schwierige Wissenschaft, dass man nur als Experte hier einen Zugang finden kann? Und warum können denn die Jahrgänge in Bordeaux so einen Unterschied machen, im Gegensatz zu manch anderen Weinbauregionen?
Der Bordeaux und das Klima
Das ist indes einfach zu erklären und hängt vor allem mit dem Klima zusammen. Dieses ist nämlich in der Region Bordeaux nicht so stabil, wie beispielsweise im Napa Valley in den USA, Australien oder vielen südamerikanischen Weingegenden. Das größte zusammenhängende Weinbaugebiet der Welt liegt nämlich am 45. Breitengrad und ist zwar wärmer als bei uns in Deutschland, aber durchaus wechselhaft. In Bordeaux gibt es mitunter ein feuchtes oder trockenes Frühjahr mit Frost, sehr trockene oder verregnet Sommer, einen tollen, warmen Herbst, oder einen solchen, der die Ernte verregnet. Dies alles hat massiven Einfluss auf die Qualität, den Geschmack, die Quantität und die Lagerfähigkeit eines Weines. Denn bereits leichte Veränderungen beim Austrieb der Blüten, geschweige denn Frost, Hagel oder Regen bei der Ernte, haben große Auswirkungen. Dies gilt natürlich gleichermaßen für die Temperaturen und die Regenmenge, die die Rebe übers Jahr zur Verfügung hat; „ertrinkt“ sie förmlich im Wasser oder muss sie sich „quälen“, um überhaupt an Wasser zu gelangen, um zu überleben?
Vertikale und Horizontale Weine
Da Wein ein Naturprodukt ist, sind hier viele Faktoren maßgeblich. Das macht es aber auch so spannend und interessant. Denn jeder Jahrgang ist anders, und es sei nahegelegt, in sogenannten „Vertikalen“ Weine eines Weingutes aus verschiedenen Jahrgängen zu probieren. Es ist faszinierend zu sehen, wie viele Facetten der Stil eines einzigen Châteaus über die Jahre hinweg aufweisen kann. Gleichermaßen kann man aber auch in der „Horizontalen“ starten, um Weine verschiedener Winzer aus einem Jahrgang zu verkosten, um festzustellen, ob diese Gemeinsamkeiten zeigen.
Ausgefuchste Kellertechniken für Bordeaux Jahrgänge
Dabei kann aber auch unser oben beschriebener Schlauberger nicht wissen, ob ein Wein gut oder schlecht ist, nur weil er aus einem bestimmten Jahrgang stammt. Hier handelt es sich letztlich um Vorurteile und die sind nie gut! Denn inzwischen hat sich auch eine immer ausgefuchstere Kellertechnik in Bordeaux etabliert. Diese vermag vieles zu retten, was vor noch gar nicht allzu langer Zeit hoffnungslos verloren gewesen wäre. Außerdem ist Bordeaux ein so riesiges Anbaugebiet, dass es eine Vielzahl von Mikroklimata gibt. Hat es in der Appellation Margaux geregnet, war es in Fronsac vielleicht ein wunderbarer Sonnentag. Auch die Nähe zur Gironde spielt eine Rolle; so sagt man im Médoc allenthalben, dass die besten Rebberge das Wasser sehen können. Dies liegt weniger an der schönen Aussicht, sondern daran, dass der Fluss in heißen Sommern kühlt und im Winter durch Wärmeabstrahlung Fröste verhindern kann. Auch der Boden, z. B. durch große Kiesel, die tagsüber Wärme aufnehmen und nachts wieder abstrahlen, hat hier ein Wörtchen mitzureden.
Warnung vor grober Generalisierung
Alles in allem gibt es sicherlich bessere und schlechtere Jahre, aber vor groben Generalisierungen sei gewarnt. Selbst in den Jahrhundertjahrgängen gab es, wie in 1989, Kellermeister auf renommierten Weingütern, die nicht aufgepasst haben und deren Weine fehlerhaft waren. Andersherum stellten sich Weine aus den oftmals etwas „verrufenen“ Jahrgänge 2007 und 2013 als herrlich süffige Speisebegleiter dar, die sicherlich keine Marathonläufer hinsichtlich Ihres Lagerpotentials werden dürften, aber, angesichts ihres günstigen Preises, viel Trinkspaß bereiten können.
Lieber ausprobieren als abschrecken lassen
Die Devise heißt daher: Ausprobieren, und sich nicht von Zahlen, denn das sind die Jahrgänge nur, abschrecken lassen. Es gibt viel zu entdecken und langweilig wird es schon deswegen nicht werden, weil jedes Jahr wieder ein neuer Jahrgang hinzukommt!
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