Primeurs – was ist das?
Jedes Jahr finden die Primeurs in Bordeaux statt. Die Fassmuster werden verkostet, also noch nicht vollständig fertig ausgebaute Weine, um zu verifizieren, ob der junge Wein eine gute Entwicklung vor sich hat. Je nach den Prognosen der Verkoster werden die Weine dann mehr oder minder gut im Voraus verkauft und der Weinliebhaber erhält seinen Wunsch-Rebsaft im Herbst des dritten auf das Etikett folgenden Jahres. Wenn also die Rede von der En Primeur Kampagne 2022 ist, so werden die Weine des Jahrgangs 2021 beurteilt, die dann im Herbst 2024 ausgeliefert werden.
Der neue Primeur – Frost und Wetterkapriolen bis zur Erntezeit
Nach den wirklich außerordentlichen Jahrgängen 2015, 2016 und 2018-2020 wurde nun ein eher „klassischer“ Jahrgang produziert. Dies ist eine im Bordelais gern verwendete Umschreibung dafür, dass nicht alles glatt lief. Und Letzteres ist eigentlich eine ziemliche Untertreibung: Frost am 7. und 8. April, gebietsweise Hagel, viel Regen im Frühjahr und im Juli, lediglich einigermaßen stabile Wetterverhältnisse zur Erntezeit kennzeichnen 2021.
Gefragt ist bestes Winzer-Wissen
Entscheidend war nun, was der Winzer daraus machte. Bei derartig schwierigen Umständen einfach nach „Schema F“ vorgehen, dürfte nicht geholfen haben. Die Châteaux waren gefragt, schnelle Entscheidungen zu treffen und zum Beispiel die Wetterwarnungen zu ignorieren, die zur Ernte angekündigt waren. Wer etwas länger wartete und die nicht eintreffenden Unwetter schlicht ignorierte, wurde mit einem wunderbar ausgereiften Lesegut belohnt. Hinzu kommt, dass heutzutage sowohl das Know-how der Weinherstellung als auch die Kellertechnik einen großen Schritt nach vorne gemacht haben, so dass ein durchschnittlicher Bordeaux-Jahrgang im Zweifel immer noch Lichtjahre im Voraus vor den zum Teil lausigen Resultaten aus den 1970 und 1980er Jahren liegt.
Der neue Primeur – Verkostung und Aussichten
Innerhalb der jeweiligen Appellation fällt der Primeur 2022 sehr heterogen aus. Klar ist, dass man in diesem Jahr nicht auf Nische oder Kleinst-Weingüter setzen muss, denn diese hatten oftmals nicht die technischen Möglichkeiten oder brauchten zumindest Glück, um gelungene Rebsäfte zu produzieren.
Ein einheitliches Bild ist daher kaum gegeben. Festzustellen ist, dass die Weine von erfreulich niedrigem Alkoholgehalt sind, und in den besten Fällen fein, frisch und auch erstaunlich fruchtig wirken. Es sind keine „amerikanischen“ Bordeaux, die ihre sonnengebräunten Muskeln spielen lassen, wie z.B. 2016 oder 2019. Sie sind eher zurückhaltend, werden aber auch recht früh trinkreif sein. Bei den Verkostungen waren immer wieder auch Weine dabei, die, entgegen unseren Erwartungen, durchaus finessenreich und vielschichtig, mit feinem Volumen und nicht überkonzentriert wirkten.
Preislich wird man abwarten müssen, ob Bordeaux bereit ist, sich dem Jahrgang anzupassen oder mit dem geringeren Ertrag und der daraus resultierenden kleineren Produktion pokern wird und damit eine Chance verpasst, dem Weinfreund preislich entgegenzukommen.
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