Moulis ist die kleinste der renommierten sechs Appellationen auf der Halbinsel Médoc, dem linken Ufer von Bordeaux, gelegen süd-östlich der Appellation Listrac. Mit nur 600 ha unter Rebbestockung wird hier etwa 0,5% der Weinproduktion Bordeaux erbracht. 1855 erschien die Region, die seit 1938 eine eigenständige AOC ist, nicht bedeutend genug, um in die Klassifikation des Médoc, von Napoleon dem III. zur Weltausstellung in Paris veranlasst, aufgenommen zu werden.
Das wäre heute völlig anders. Châteaux wie Chasse-Spleen, Poujeaux oder Maucaillou, die allesamt auf dem besten Kiesplateau der Gemeinde Moulis im Haut-Médoc, Grand Poujeaux liegen, lassen Kennerherzen höherschlagen. Doch was macht die Weine dieser Appellation heute so besonders, was macht ihren Charakter aus? Diesen Fragen möchten wir im Folgenden nachgehen.
Die Geschichte der Appellation Moulis war durchaus wechselvoll. Ihr Name geht übrigens auf die zahlreichen Wind- und Wassermühlen in der Region zurück, die jahrhundertelang nur landwirtschaftlich geprägt und in der der Weinbau nur Nebensache war. In den Fokus rückte der Weinbau erst, als die Eisenbahnlinie durch das Médoc gebaut wurde und man Anschluss an den Handel Bordeaux‘ fand. Zu Glanzzeiten, etwa Mitte des vorletzten Jahrhunderts, war die Rebfläche hier etwa drei Mal so groß wie heute. Die Reblaus mit den bekannten Folgen und der große Frost im Jahre 1956 führten die Appellation wiederholt an den Rand des Abgrunds. Man benötigte bis weit in die 1980er Jahre hinein, um Moulis wieder aus seinem Dornröschenschlaf erwachen zu lassen und eine gute Weinqualität produzieren zu können.
Die Winzer in Moulis konnten jedoch „werkeln“ und standen, ähnlich wie ihre Kollegen der Schwesterappellation Listrac, nie so im Mittelpunkt wie etwa die großen Chateaus in Margaux oder Pauillac. Man konnte und durfte sich entwickeln, wobei die Technik zu Ende des letzten Jahrhunderts entscheidend half, die Vinifizierung zu verbessern.
Unterhält man sich mit einem der Château-Besitzer in Moulis – und dies ist durchaus noch möglich, denn sie sitzen keinesfalls auf einem hohen Ross – wird der Geist der Appellation deutlich. Pfiffige Ideen, Engagement und viel Liebe zu ihrem Rebsaft eint die Winzer dieser Appellation, die ganz unterschiedliche Terroirs zu zähmen haben.
Auf den Kiessandkuppen der Günz-Eiszeit wächst der Cabernet Sauvignon, die lehmig-kalkigen Sandböden liebt der Merlot. Beide gehen in den Weinen des Moulis eine Liason ein, die häufig gleichberechtigt, was ihren Mengenanteil betrifft, endet. Petit Verdot und Cabernet Franc begleiten diese Liebesbeziehung im Hintergrund.
Da die Weine im Vergleich zu den sonst eher Cabernet Sauvignon dominierten anderen Appellationen des Médoc einen hohen Merlot-Anteil haben, wirken sie oft schmeichlerischer und sanfter als die Weine der umliegenden Gegenden und sind früher zugänglich. Und dennoch sind sie klassische Bordeaux-Weine mit einem langen Lagerpotential.
Aufgrund des vermeintlichen Underdog-Status sind die Preise immer noch bon marché, und die Weine aus Moulis sehr beliebt bei den Deutschen Weinliebhabern. Oder haben diese einfach nur erkannt, dass der Cabernet Sauvigon und Merlot in Moulis vielleicht die wahre Liebe eingegangen sind?