Bordeaux gilt als konservative und traditionelle Region, wo es neue Ideen und Vorstellungen seit je her schwer haben. Zu lang und zu erfolgreich ist die Geschichte des Weinbaus, als sich hier Neuerungen, die nicht Jahrhunderte lang erprobt sind, durchsetzen könnten. Doch inzwischen ist auch Bio im Bordelais im Kommen und dies aus gutem Grund.
Nehmen zurzeit etwa nur 7 % der Châteaux und Winzer hieran teil, ist deren Zahl inzwischen rapide ansteigend und auch die lokale und weltweite Akzeptanz wächst beständig. War das Bio-Label bis vor einigen Jahren eher noch ein Stigma und ein Verkaufshindernis, insbesondere auf dem wichtigen Chinesischen Markt, steigt die Nachfrage danach. Die Gründe sind vielfältig. Ein besonders wichtiger: Man hat es früher gerne übertrieben, weil es so einfach war, mit der chemischen Keule für eine vermeintlich bessere Weinqualität zu sorgen.
Heute, nachdem zahlreiche Winzer erkrankt sind, weiß man, wie wichtig es ist, zurückhaltend mit Gift und schonend mit der Natur umzugehen, die es auch in Bordeaux nur einmal gibt. Und da dort die Weinberge gerne unmittelbar an die Siedlungen angrenzen bzw. direkt in diese übergehen, ist es nicht verwunderlich, dass es in letzter Zeit zu zahlreichen Demonstrationen zum Beispiel von aufgebrachten Eltern kam, wenn der Trecker mit der Giftspritze mal wieder neben dem Kindergarten wütete.
Andere Regionen haben vorgemacht, dass Bio nicht zu ungenießbaren, trüben Weinbrühen führt, sondern durchaus eine Qualitätsverbesserung darstellt. Geholfen hat hierbei aber auch der technische Fortschritt. So wurde in den 90er Jahren auf Château Couhins die Methode der Pheromon-Verwirrung entwickelt. Dabei werden in den Weinbergen kleine Spender angebracht, die weibliche Lockstoffe eines Schädling-Falters aussenden. Die männlichen Artgenossen werden dadurch verwirrt und finden die weiblichen Falter nicht mehr. Die Folge: Weniger Schädlings-Nachwuchs und damit geringerer Einsatz von Pestiziden. Wer in den Weinbergen in Bordeaux umherwandert, wird feststellen, wie weit verbreitet diese Verteiler inzwischen sind.
GPS-Monitoring oder der Einsatz von Drohnen ermöglicht heute die exakte Erfassung des Terroirs, der Sonneneinstrahlung oder der Niederschlagsmengen. Hierdurch können die Rebsorten, die zur Lage passen, wesentlich gezielter ausgewählt werden und mithilfe der Daten kann entschieden werden, ob und wann green-harvesting, de-leafing oder andere Eingriffe vorgenommen werden. Dies hat zur Konsequenz, dass weniger chemischer Dünger verwendet werden muss. Ein zu häufiger Einsatz von Traktoren führte in der Vergangenheit häufig auch dazu, dass sich der Boden zu stark verdichtete und mühsam wieder aufgelockert werden musste, was viel Zeit und Einsatz bedeutete. Wer kann setzt heute gerne wieder Pferde ein, was nicht nur ein schön anzusehender Marketing-Gag ist, sondern ein durchaus effektiver Weg den Boden schonend zu bearbeiten.
Bio ist aber durchaus auch Mehrarbeit. Insbesondere die Kellerhygiene muss deutlich sorgfältiger durchgeführt werden. Es muss zum Beispiel viel mehr Wasser zur Reinigung eingesetzt werden, um Verunreinigungen zu vermeiden. Verschiedentlich haben Châteaux hierfür bereits eigene Vorklärbecken installiert, um den erhöhten Wasserkonsum zu kompensieren. Ganz ohne Chemie wird es allerdings nicht gehen. Zwar arbeiten manche Bio-Châteaux in Bordeaux mit zum Teil weniger als 2/3 des Schwefeleinsatzes ihrer konventionell arbeitenden Kollegen. Allerdings räumen sie auch ein, dass es ohne Schwefel (noch) nicht geht.
An dieser Stelle sei noch mit dem Vorurteil aufgeräumt, Schwefel im Wein sorge für Kopfschmerzen. Dies ist wissenschaftlich längst widerlegt. Es ist zwar ein schönes Alibi dafür, am Abend vorher zu tief ins Glas geschaut zu haben. Verantwortlich für den Morgenkater ist aber die häufig einfach zu hohe Dosis Alkohol und biogene Amine, die im Wein enthalten sind.
Insgesamt lässt sich feststellen, dass Bordeaux zumindest mittelfristig auf einem guten Weg scheint, sich mit Bio anzufreunden. Dass es sich noch nicht in ein „Bio-rdeaux“ transformiert hat, war angesichts seiner Geschichte nicht zu erwarten. Allerdings profitieren wir alle von dieser Entwicklung. Zwar hat eine vor kurzem in einem französischen Weinmagazin veröffentlichte Untersuchung festgestellt, dass auch bei konventionell arbeitenden Gütern der Nachweis von beim Weinbau verwendeten chemischen Substanzen verschwindend gering ist. Das zeigt jedoch nur, dass Bordeaux bereits gelernt hat. Und wenn sich unser Lieblingsgetränk noch weiter verbessert und das einzigartige Terroir in Bordeaux noch möglichst lange erhalten bleibt, haben wir doch nichts dagegen, n´est-ce-pas ?