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Die „kleinen“ Jahrgänge des Bordeaux: ein Plädoyer für 2007, 2012 und Co.

Wer sich mit Bordeaux-Weinen beschäftigt weiß, dass hier der Jahrgang des jeweiligen Weines eine wichtige Rolle spielt – häufig mehr, als bei den Gewächsen anderer Länder. Denn Bordeaux liegt auf dem 45. Breitengrad, also einer Region, die im Vergleich zu anderen Weinbaugebieten wie zum Beispiel in Chile, Australien oder den USA wesentlich instabiler ist, was die klimatischen Verhältnisse betrifft. Wie sich das äußern kann lesen Sie in diesem Beitrag.

Die „kleinen“ Jahrgänge des Bordeaux: ein Plädoyer für 2007, 2012 und Co.

Jedes Jahr setzt von neuem das Beten zum Wettergott ein, insbesondere, wenn die Ernte vor der Tür steht und die Trauben, möglichst ohne nass zu werden, ins Trockene gebracht werden sollen. Häufig genug geht das jedoch schief. Oft ist der Sommer zu kalt, die Ernte verregnet oder gar verhagelt. Vom letzteren können die Winzer im Entre-Deux-Mers (subregionale Appellation des Bordelaise) ein trauriges Lied singen! Manchmal sogar die letzte Zugabe, nach der der Bankrott droht, wenn mal wieder der Hagel die Trauben und zum Teil sogar die Reben vernichtet hat. In diesen Fällen also, in denen die Launen der Natur den Menschen ein Schnippchen geschlagen haben, spricht man von „kleinen“ Jahrgängen. Selten wird dabei von schlechten Jahrgängen gesprochen. Derartige Formulierungen werden elegant umschifft. Es fällt eher die Bezeichnung „die Umstände der Weinbereitung seien in diesen Jahren schwierig gewesen“.

Wirklich schlechte Jahrgänge gibt es im Bordelaise nicht mehr, denn den schwierigen Bedingungen trotzt der Mensch mit inzwischen immer besseren Vinifikationsmethoden. Man muss dabei nicht die Extrembeispiele wie Château Mouton zitieren, wo schon mal bei Regenwetter während der Ernte Hubschrauber über den Weinbergen kreisen, um die Trauben zu trocknen.

Die Kellerarbeit, insbesondere die Selektion der Trauben, ist zunehmend perfektioniert worden, und auch der Zeitpunkt der Lese wird heute viel genauer bestimmt als früher. Standen noch vor etwa 20 Jahren die Erntehelfer zu einem bestimmten Zeitpunkt bereit und wurde dann eben geerntet, weil die Arbeiter da waren, ist dieses inzwischen umgekehrt. Heute wird beständig der Reifegrad der Trauben bestimmt, und dann wird zeitlich sehr flexibel geerntet.

Die häufig vernachlässigten Jahrgänge haben für die Freunde unserer roten Lieblingsflüssigkeit viele Vorteile:

  • Die Weine sind häufig günstiger zu bekommen, gerade bei den klassifizierten und hochwertigen Gewächsen ist dies der Fall.
  • Die Weine kleinerer Jahrgänge sind zwar oft nicht sehr lange lagerfähig, allerdings sind sie wesentlich eher trinkreif.

Beispielsweise sind viele 2007er jetzt gerade auf dem Höhepunkt ihrer Trinkreife und auch die 2011er und 2012 rücken so langsam in den Fokus.

Hinzu kommt, dass viele der unterschätzten Rebsäfte oft einen ganz eigenen Charakter haben, mit ausgeprägten Sekundär-Aromen. Zum Beispiel mit Tabak-, Kaffee oder Ledernoten, sodass es hier viel zu entdecken geben kann. Vielfach ähneln diese Weine ihren Geschwistern aus den großen Jahren kaum und stellen daher interessante Alternativen für die geschmackliche Abwechslung dar.

Es macht wirklich Spaß, hier für kleines Geld unentdeckte Schätze aufzuspüren.
Probieren Sie doch einmal unseren Baron Philippe de Rothschild Mouton Cadet Rouge Bordeaux AOC von 2012 – einen echten Klassiker oder Château Fontesteau, Haut Medoc AC 2012.

Und zum Sonntagsbraten oder gar zum heiligen Abend darf es dann ja gerne wieder der gute 2005er, 2009er oder 2010er sein!

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veröffentlicht von
Anna

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